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Privateigentum darf nicht für eine auf über 80 Jahre angelegte Friedhofsplanung in Anspruch genommen werden

Datum: 15.12.2003

Kurzbeschreibung: 


Prognosen, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken, tragen in hohem Maße die Gefahr in sich, dass sie nicht zutreffen. Mit dieser Begründung hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) durch Normenkontrollurteil vom 26.9.2003 den Bebauungsplan „Friedhof Horkheim“ der Stadt Heilbronn für nichtig erklärt, der ein bewohntes Grundstück als Friedhofsfläche für einen Gräberbedarf von mindestens 84 Jahren ausweist.

Der im Oktober 2001 vom Gemeinderat beschlossene Bebauungsplan dient der planungsrechtlichen Sicherung der Erweiterung des vorhandenen Friedhofs in der Ortsmitte von Horkheim. Auf der vorgesehenen Erweiterungsfläche sollen 515 neue Grabstätten entstehen. Die Antragsteller, ein Ehepaar von über 80 Jahren, sind Eigentümer eines von ihnen bewohnten Grundstücks, das komplett innerhalb der vorgesehenen Erweiterungsfläche liegt. Der an den bestehenden Friedhof angrenzende hintere Bereich ihres Grundstücks ist teilweise mit landwirtschaftlich genutzten Nebengebäuden bebaut; das von den Antragstellern bewohnte Wohnhaus (Hofstelle) liegt im vorderen Bereich zur Straße hin.

Im Juli 2002 haben die Antragsteller das Normenkontrollverfahren beim VGH eingeleitet. Sie haben geltend gemacht, sie wollten die Hofstelle mit den Wirtschaftsgebäuden ihrem Neffen vererben, der bereits jetzt den größten Teil ihrer landwirtschaftlichen Flächen als Pächter bewirtschafte. Die Stadt Heilbronn ist der Auffassung, dass das Grundeigentum der Antragsteller nicht unverhältnismäßig betroffen sei, weil dort zu ihren Lebzeiten kein Friedhof mehr angelegt werde; sie habe den Antragstellern außerdem ein lebenslanges Wohnrecht für den Fall angeboten, dass sie das Grundstück an die Stadt verkaufen. Der VGH hat den Bebauungsplan aus folgenden Gründen für nichtig erklärt:

Bereits bebaute Privatgrundstücke dürften im Bebauungsplan nur dann als Fläche für eine künftige öffentliche Nutzung gesichert werden, wenn hierfür gewichtige Belange sprächen. Zwar sei die Sicherung des Bedarfs an Grabstätten eine wichtige Aufgabe der Gemeinden. Hier sei jedoch eine Friedhofsfläche in einem Umfang ausgewiesen worden, der sich nicht mehr auf einigermaßen zuverlässige Bedarfsprognosen stützen lasse. Nach den Berechnungen der Stadt Heilbronn reichten die auf der Erweiterungsfläche vorgesehenen 515 neuen Grabstätten bei einem unterstellten Bedarf von sechs zusätzlichen Gräbern pro Jahr mindestens bis zum Jahr 2086, bei Zunahme der Tendenz zu Urnenbestattungen sogar noch länger. Auf dieser Prognosegrundlage dürfe das Grundstück der Antragsteller nicht überplant werden. Denn Prognosen, die sich ü-ber mehrere Jahrzehnte erstreckten, seien in hohem Maße mit der Gefahr behaftet, falsch zu sein; es liege auf der Hand, dass Vorhersagen desto unsicherer seien, je weiter sie in die Zukunft reichten. Dementsprechend seien selbst Flächennutzungspläne im Allgemeinen auf einen Planungszeitraum von 10 bis 15 Jahren angelegt. Bei Zugrundelegung eines kürzeren Prognosezeitraums hätte das Grundstück der Antragsteller in deutlich geringerem Umfang überplant werden müssen. So sei etwa bei einem Prognosezeitraum von 30 Jahren, der allerdings immer noch deutlich über dem üblichen Zeithorizont eines Bebauungsplans liege, von einem Bedarf von 180 zusätzlichen Grabstellen auszugehen, was rein rechnerisch bedeute, dass lediglich 35 % der vorgesehenen Fläche - und damit vor allem nicht das Wohnhaus der Antragsteller - in Anspruch genommen werden müsste. Daher verstoße die räumliche Abgrenzung der Friedhofsfläche gegen das planerische Abwägungsgebot.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; gegen die Nichtzulassung der Revision kann noch Be-schwerde eingelegt werden (Az.: 3 S 1650/02).





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