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Feuerwehrkosten bei Einsatz in einer Notlage

Datum: 25.07.2003

Kurzbeschreibung: 


In einem Urteil des 1. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) wurde darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen Ersatz der Kosten für den Einsatz der Gemeindefeuerwehr verlangt werden kann, wer kostenpflichtig ist und in welchem Umfang Kosten erstattungsfähig sind.

Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Freiwillige Feuerwehr der (später) beklagten Gemeinde wurde über die Funkleitstelle zur Hilfeleistung wegen eines Wasserschadens in der unzugänglichen Wohnung eines Sechsfamilienhauses angefordert. Die Feuerwehr rückte daraufhin mit einem Rüstwagen, einem Tanklöschfahrzeug und einem Vorrüstwagen sowie insgesamt zwölf Mann Besatzung aus. Vor Ort wurde festgestellt, dass Wasser von der im Eigentum des (späteren) Klägers stehenden, von seiner Tochter gemieteten Wohnung im ersten Obergeschoss in die darunterliegende Erdgeschosswohnung tropfte. Da weder der Kläger noch der Hausverwalter erreicht werden konnten, wurde ein Schlüsseldienst mit der Öffnung der Wohnungstür beauftragt. In der Wohnung stellte die Feuerwehr fest, dass der in die Badewanne gelegte Abwasserschlauch einer Waschmaschine aus der Badewanne herausgerutscht und das Wasser eines Waschvorgangs (etwa 80 l) ausgelaufen war. Das ausgelaufene Wasser wurde von der Feuerwehr mit Wassersaugern aufgefangen. Der Einsatz dauerte insgesamt 1 Stunde und 8 Minuten.
Die beklagte Gemeinde als Trägerin der (Freiwilligen) Feuerwehr zog den Kläger zur Zahlung von Kosten des Feuerwehreinsatzes in Höhe von 648,-- DM heran. Angerechnet wurden Personalkosten für acht Einsatzkräfte für jeweils 1 Stunde (8 x 21,-- DM = 168,-- DM) sowie Fahrzeugkosten für ein Tanklöschgruppenfahrzeug (1 Stunde zu 290,-- DM) und für einen Vorrüstwagen (1 Stunde zu 190,-- DM).
Der mit der Begründung erhobene Widerspruch, man möge sich an den Schadensverursacher wenden, blieb erfolglos. Mit seiner zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobenen Klage machte der Kläger geltend: Der Wasserschaden sei so geringfügig gewesen, dass es überhaupt keines Feuerwehreinsatzes bedurft hätte, jedenfalls nicht mit zwei Fahrzeugen und acht Mann Besatzung. Die Beklagte wies darauf hin, dass dreizehn Einsatzkräfte ausgerückt, aber nur acht Kräfte berechnet worden seien.
Das Verwaltungsgericht gab dem Kläger Recht: Die Gemeinde könne keinen Ersatz der Kosten verlangen, weil Voraussetzung dafür eine „Notlage“ sei, nämlich dass die Feuerwehr Hilfe für Menschen und Tiere oder Schiffe leiste. Es hätten hier jedoch keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung von Menschen oder Tieren bestanden. Vielmehr sei es nur um den Schutz privater Güter vor Zerstörung gegangen.
Auf die vom VGH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung der beklagten Stadt wurde die Klage in zweiter Instanz abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils wird im Wesentlichen ausgeführt: Hilfeleistungen der Feuerwehr bei Bränden und öffentlichen Notständen sowie zur Rettung von Menschen und Tieren aus lebensbedrohlichen Lagen seien nach den Regeln des Feuerwehrgesetzes unentgeltlich. Soweit die Feuerwehr bei anderen Notlagen zur Hilfeleistung für Menschen und Tiere und zur Hilfeleistung für Schiffe herangezogen werde, könne der Träger der Gemeindefeuerwehr nach seinem Ermessen Kostenersatz verlangen. An einer Hilfeleistung für Menschen und Tiere fehle es, wenn keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass einzelne Menschen oder Tiere in irgendeiner Weise gefährdet würden. Für die Beurteilung der Not- bzw. Gefahrenlage komme es auf den Sach- und Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Alarmierung an („Ex-ante-Sicht“). Gemessen an diesem Maßstab sei der umstrittene Einsatz als Hilfeleistung bei einer Notlage zu bewerten. Ursache und Ausmaß des Wasserschadens seien im Zeitpunkt der Alarmierung nicht erkennbar gewesen. Ein Wasserrohrbruch mit der Folge, das größere Wassermengen unkontrolliert austreten, habe nach Sachlage nicht ausgeschlossen werden können. Mithin habe auch der Einsatz technischen Geräts, z.B. einer Pumpe, für erforderlich gehalten werden dürfen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sah der Senat keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung für einzelne Menschen ausgeschlossen sein würde. Die Möglichkeit, dass unkontrolliertes Austreten größerer Wassermengen bei Kontakt mit Elektroinstallationen zu einem Kurzschluss und in der Folge zu Gefahren für das Leben oder jedenfalls die Gesundheit von Menschen führe, habe nicht fern gelegen. Auch habe berücksichtigt werden müssen, dass sich möglicherweise eine hilflose Person in der betreffenden Wohnung befinde. Im Rahmen der prognostischen Beurteilung der Notlage dürfe man keine überspannten Anforderungen an die Feuerwehr stellen. Dies rechtfertige sich vor dem Hintergrund, dass die Freiwillige Feuerwehr schnellstmöglichst Hilfe bei Notlagen leisten solle, sie sich grundsätzlich aus ehrenamtlich Tätigen zusammensetze und die an sie gerichteten Hilferufe oft nur unvollständig bzw. oberflächlich seien. Es liege im pflichtgemäßen Ermessen der Feuerwehr, ob und welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sie ergreife. Sie müsse freilich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Aufgrund von Erfahrenswerten dürften Alarmierungskonzepte und Ausrückordnungen für bestimmte Fallgruppen erlassen werden, um bei einem Schadensereignis mit in der Regel unbekanntem Ausmaß dieses bereits im ersten Zugriff wirkungsvoll bekämpfen und das erforderliche Personal und die technische Ausstattung einsetzen zu können. Dementsprechend habe hier die Meldung als ein „Wasserschaden klein“ eingestuft und eine „Hilfeleistung 1“ angenommen werden dürfen. In einem solchen Fall bestimme die „Ausrückordnung“ grundsätzlich den Einsatz von zwei Fahrzeugen, nämlich ein allein mit einem Wassersauggerät ausgestattetes Tanklöschfahrzeug mit sechs Mann Besatzung sowie ein weiteres Fahrzeug (Vorrüstwagen als Einsatzleitwagen). Der Einsatzleitwagen sei dabei in der Regel mit dem Abteilungskommandanten und dessen Stellvertreter besetzt. Tatsächlich habe die Feuerwehr die Ausrückanordnung allerdings nicht unerheblich überschritten. Deswegen habe die Stadt in dem angegriffenen Kostenbescheid lediglich Personalkosten für acht Einsatzkräfte und Fahrzeugkosten für das Tanklöschfahrzeug und den Vorrüstwagen berechnet. Auch habe sie auf das Entgelt für die zweite angefangene Stunde verzichtet. Auch im Übrigen sei die Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Es bestehe in dreierlei Hinsicht Ermessen, nämlich Entschließungsermessen, ob überhaupt Kostenersatz verlangt werden solle, Auswahlermessen, von wem Kostenersatz gefordert werde, und schließlich in welcher Höhe. Die Betätigung des Entschließungsermessens begegne keinen Bedenken; es sei nicht ermessensfehlerhaft, wenn den Interessen der Gemeinde (und damit der Allgemeinheit) der Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen des Kostenpflichtigen eingeräumt werde. Den Kläger als Pflichtigen auszuwählen, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Er sei Zustandsstörer, weil er Eigentümer der Wohnung sei, deren Zustand infolge des Wasserschadens den Einsatz der Feuerwehr erforderlich gemacht habe. Der Eigentümer einer Sache sei für die von dieser ausgehenden Gefahren unabhängig davon verantwortlich, ob der polizeiwidrige Zustand der Sache von ihm selbst oder von einem Dritten herbeigeführt werde. Deshalb sei die Beklagte nicht gezwungen gewesen, vorrangig die Tochter des Klägers als Handlungsstörerin heranzuziehen. Dies gelte um so mehr, als der Vorfall bereits der dritte Schadensfall dieser Art innerhalb von dreizehn Monaten gewesen sei, den die Tochter verursacht habe. Darüber hinaus habe die Beklagte wegen eines vergleichbaren Einsatzes bereits im Jahre 1995 einen Kostenbescheid an die Tochter gerichtet, diese Forderung jedoch wegen deren finanzieller Situation niedergeschlagen.

Das Urteil vom 20.3.2003 - 1 S 397/01 - ist rechtskräftig.

Feuerwehrgesetz (FwG)

§ 2 Aufgaben der Feuerwehr
(1) Die Feuerwehr hat bei Schadenfeuer (Bränden) und öffentlichen Notständen, die durch Naturereignisse, Einstürze, Unglücksfälle und dergleichen verursacht sind, Hilfe zu leisten und den einzelnen und das Gemeinwesenvor hierbei drohenden gefahren zu schützen. Im übrigen hat die Feuerwehr zur Rettung von Menschen und Tieren aus lebensbedrohlichen Lagen technische Hilfe zu leisten.
(2) Die Feuerwehr kann auch bei anderen Notlagenzur Hilfeleistung für Menschen und Tiere und zur Hilfeleistung für Schiffe herangezogen ... werden.

§ 36 Kostenersatz (1) Die Leistungen der Gemeindefeuerwehr im Rahmen der ihr nach § 2 Abs. 1 obliegenden Aufgaben sind unentgeltlich,...
(2) Für alle anderen Leistungen der Feuerwehr können die Träger der Gemeindefeuerwehr Ersatz der Kosten verlangen....





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