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Polizeivollzugsdienst ist für die Anordnung, ein im Haltverbot abgestelltes Fahrzeug abzuschleppen, nur ausnahmsweise zuständig

Datum: 23.07.2003

Kurzbeschreibung: 


Das durch Zeichen 283 der StVO - Haltverbot - begründete Gebot, ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug wegzufahren, kann durch Abschleppen des Fahrzeugs (sog. Ersatzvornahme) vollstreckt werden. Dies anzuordnen gehört in die Zuständigkeit der für die Aufstellung des Verkehrszeichens zuständigen Straßenverkehrsbehörde, also des Landratsamts oder des Bürgermeisteramts eines Stadtkreises oder einer Großen Kreisstadt; für die Anordnung der Ersatzvornahme regelmäßig nicht zuständig ist der Polizeivollzugsdienst. Dies entschied der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in einem Urteil vom 17. Juni 2003.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: Der Kläger stellte seinen Pkw am 10.9.2000 auf einer öffentlichen Straße in Göppingen ab und war sodann bis zum 27.9.2000 verreist. Zwischenzeitlich wurden in der Straße Bauarbeiten durchgeführt und deswegen mobile Haltverbotsschilder mit dem Zusatz „ab 13.9.2000“ aufgestellt. Am Vormittag des 26.9.2000, einem Dienstag, wurde das Polizeirevier Göppingen von einem Mitarbeiter der Baufirma davon verständigt, dass das Fahrzeug des Klägers im Haltverbot stehe und die Bauarbeiten behindere. Die vor Ort eintreffenden Polizeibeamten versuchten, den Kläger fernmündlich zu erreichen, was jedoch scheiterte. Sodann wurde das Fahrzeug auf Anordnung der Beamten des Polizeireviers durch ein privates Unternehmen abgeschleppt. Die Polizeidirektion Göppingen zog den Kläger zu Abschleppkosten in Höhe von 195,-- DM zuzüglich Verwaltungsgebühren in Höhe von 40,-- DM heran. Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, er habe seinen PKW schon vor Aufstellung des Haltverbotsschilds geparkt, weshalb die Abschleppmaßnahme unverhältnismäßig sei. Die Landespolizeidirektion Stuttgart I vertrat in ihrem ablehnenden Widerspruchsbescheid die Auffassung, dass der Kläger zur Kostentragung verpflichtet sei ungeachtet des Umstandes, dass er sein Fahrzeug bereits vor Anordnung des Haltverbots geparkt habe. Denn er sei als Halter des Pkw Inhaber der tatsächlichen Gewalt und aus diesem Grund zum Ersatz der Kosten gemäß § 8 Abs. 2 Polizeigesetz - PolG - verpflichtet. Die Heranziehung sei angemessen, da der PKW erst 13 Tage nach Aufstellung des Haltverbotszeichens abgeschleppt worden sei und deshalb eine ausreichende Vorlaufzeit bestanden habe. Das daraufhin vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart hob die angegriffenen Bescheide auf. Auch die vom Land Baden-Württemberg als Träger des Polizeivollzugsdienstes eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Der VGH hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet: Ersatz der angefallenen Abschleppkosten könne nicht verlangt werden, denn die Polizeivollzugsbeamten des Polizeireviers Göppingen hätten das Abschleppen angeordnet; sie seien hierfür sachlich aber nicht zuständig gewesen. Für eine rechtswidrige Abschleppmaßnahme stehe dem Land kein Kostenersatzanspruch zu. Das Verkehrszeichen Nr. 283 begründe nicht nur ein Halt- und Parkverbot, sondern zugleich das - sofort vollziehbare - Gebot, das unerlaubt haltende oder parkende Fahrzeug wegzufahren. Das Wegfahrgebot könne über eine sog. Ersatzvornahme vollstreckt werden. Da keine andere Behörde als Vollstreckungsbehörde durch Rechtsverordnung bestimmt worden sei, habe nur diejenige Behörde vollstrecken dürfen, die den Verwaltungsakt erlassen, hier also das Haltverbot angeordnet habe. Dies sei die Große Kreisstadt Göppingen als untere Straßenverkehrsbehörde gewesen. Sie sei aber gerade nicht tätig geworden. Das Einschreiten des Polizeivollzugsdienstes lasse sich auch nicht als Vollstreckungshilfe zugunsten der sachlich zuständigen Vollstreckungsbehörde rechtfertigen. Denn Vollstreckungshilfe setze voraus, dass von der an sich zuständigen Vollstreckungsbehörde um Hilfe ersucht worden wäre, was nicht geschehen sei. Auch eine originäre Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes bestehe nicht. Für eine „subsidiäre“ Einzelfallkompetenz der Vollzugspolizei zur Verwirklichung der Ziele der StVO gebe es keine gesetzliche Grundlage. Gleichwohl verkenne der Senat nicht das unbestreitbare praktische Bedürfnis, das aufgrund der Sachnähe und im Interesse eines effektiven Verwaltungsvollzugs für eine Kompetenz des Polizeivollzugsdienstes zur Vollstreckung der in Verkehrszeichen enthaltenen Gebote spreche. Diese Lücke im Landesverwaltungsvollstreckungsrecht könne jedoch nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen werden. Der Senat hat offen gelassen, ob das Polizeigesetz in diesen Fällen eine Rechtsgrundlage für das Tätigwerden des Polizeivollzugsdienstes bietet. Nach § 60 Abs. 2 PolG nehme der Polizeivollzugsdienst polizeiliche Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheine. Dies treffe aber nur zu, wenn ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen (Polizei-)Behörde, hier der Stadt Göppingen als Ortspolizeibehörde, den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Dafür sei nach Sachlage aber nichts erkennbar. Das Polizeirevier sei an einem Dienstagvormittag um 9.26 Uhr, also innerhalb der üblichen Behördendienstzeiten benachrichtigt worden. Genauso hätte die Stadtverwaltung erreicht werden können. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass das Abschleppen keinen weiteren Aufschub geduldet hätte. Vielmehr habe sich die Polizei zeitaufwändig bemüht, den Kläger zu benachrichtigen, abgesehen davon, dass das Fahrzeug schon längere Zeit dort gestanden habe, ohne dass Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bestanden hätten.
Der VGH hat die Revision nicht zugelassen; das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig (Az: 1 S 2025/01).





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